2. Erste Hälfte des 19. Jahrhunderts
Genereller historischer Hintergrund: Der Anfang des 19.Jh. ist geprägt durch seine Kriege und großen territorialen Veränderungen durch Napoleon und den Wiener Kongress. Die Geistesbewegung der Romantik wird vom Kräftespiel zwischen Reaktion und Vormärz abgelöst.
Genereller freimaurerischer Hintergrund: Obwohl es bereits Einigungsbestrebungen unter den Großlogen gab, herrschte große Zerstrittenheit, hauptsächlich wegen Sprengelrechtsverletzungen, aber auch schon unterschwellig wegen des „Christlichen Prinzips“. Die Logen hatten großen Zulauf, obwohl 1819 die Reaktion (Metternich) die Karlsbader Beschlüsse gegen die Geheimgesellschaften gefasst hatte und von 1821-31 vier päpstliche Bannbullen gegen die Freimaurerei geschleudert wurden.
Frankfurter historischer Hintergrund: Durch die napoleonischen Umwälzungen hatte die Freie Stadt Frankfurt 1806 ihre Selbständigkeit verloren. Als Kernstück „Großherzogtum Frankfurt“ im Rheinbund war sie unter die Regentschaft des Fürstprimas Carl von Dahlberg gekommen, der aber als Bruder die Weiterarbeit der Logen duldete. Nach der Befreiung Deutschlands von der französischen Fremdherrschaft 1813/14 bekam Frankfurt 1816 ihre Rechte als Freie Stadt erneuert, um sie durch ihre Einverleibung in das Königreich Preußen 1866 wieder zu verlieren.
Die Zeit um die Jahrhundertwende war sowohl für die Frankfurter Große Provincial- und Directorialloge, wie auch für die Loge zur Einigkeit fatal. Der Eklektische Bund hatte durch die politischen Ereignisse in Folge der französischen Revolution fast alle Mitgliedslogen verloren, und die Große Loge hatte 1793 für neun Jahre ihre Arbeit eingestellt. Die Loge zur Einigkeit hatte wegen der Kriegswirren sowie Frankfurts französischer Besetzung auch nur sporadisch gearbeitet, und unzufriedene Brüder hatten deshalb 1801 die Loge „Sokrates zur Standhaftigkeit“ gegründet.
Das war schon schlimm, aber es wurde noch schlimmer, als sich im Zuge der Emanzipation der Frankfurter Juden die Loge „L‘ Aurore naissante“ mit einem französischem Militärlogen-Patent 1808 gegründet hatte, deren Mitglieder mehrheitlich „Israeliten“5 waren. Nun mussten sich die Brüder auch noch der Judenfrage stellen – was aber ganz im tiefen religiösen Empfinden und religionsgeschichtlichen Denken geschah und nicht im späteren rassisch-biologischen Denkschema des Nationalsozialismus.6
Bei beiden Logen, Zur Einigkeit und Sokrates zur Standhaftigkeit, stieß diese Gründung auf strikte Ablehnung und die Große Loge sprach gegen die neue Loge ein absolutes, die christlichen Brüder einschließendes, Besuchsverbot aus. Die Bedrohung „ihrer“ Freimaurerei, die die Brüder beider Logen empfunden haben müssen, brachte aber die vormals verfeindeten Logen zusammen; die Loge Sokrates bekam Aufnahme in den Eklektischen Bund und die Große Loge wurde paritätisch besetzt. Wichtigstes Ergebnis des überraschenden Freundschaftspaktes war die gemeinsame Änderung der ursprünglich deistischen Rituale ins christliche, mit einer Frage an den Aufzunehmenden, die Nichtchristen von der Aufnahme ausschloss.
Aus heutiger freimaurerischer Sicht ist das recht unverständlich, ist es doch im genauen Gegensatz zu den „Alten Pflichten“, auf deren Basis sich das Eklektische System ausdrücklich gegründet, und die das Logenleben bisher so gut geregelt hatten.
Es folgten jedoch noch vierzig Jahre heftigster Auseinandersetzungen um das so genannte „Christliche Prinzip“, die für die gesamte deutsche Freimaurerei von ganz entscheidender Bedeutung wurden, da sie der heutigen humanitären Freimaurerei ihre prägenden Grundzüge gaben. Man kann dieses Ringen der Brüder um das Christliche Prinzip also nicht wichtig genug nehmen; vor allem darf man diese durch den Zeitgeist des Vormärz unterstützte Entwicklung in Frankfurt nicht vergleichen mit der Erteilung von Besuchserlaubnissen und Logen- bzw. Großlogenbeschlüssen über die Aufnahme einzelner, meist völlig assimilierter Juden, anderenorts.
Nach Ende des französischen Einflusses musste sich die mit einem franz. Patent installierte Loge L´Aurore naissante um eine andere Konstitution bemühen. Durch einen ihrer christlichen Gründer bekam sie ein Patent vom Landgrafen Carl von Hessen-Kassel, General-Großmeister des Rektifizierten Ritus, einem Nachfolgesystem der Strikten Observanz. Dass dies aber zur Spaltung führen würde, hätte klar sein müssen, denn selbstverständlich konnten sich die jüdischen Brüder nicht mit den dabei gemachten Auflagen (z.B. mussten Stuhlmeister und Redner christlich sein) einverstanden erklären. So schieden die christlichen Mitglieder nach entsprechenden Auseinandersetzungen aus und gründeten 1816 die Schotten-Loge „Carl zum aufgehenden Licht“. Die übrigen Brüder wandten sich nach England und erhielten 1817 vom Großmeister der inzwischen Vereinigten Großloge von England ein Patent als Loge „Zur aufgehenden Morgenröthe“ – trotz deren Vertrag mit der Frankfurter Großen Provincial- und Directorialloge.7
Diese nahm nun die Fehdehandschuhe auf, denn auf der einen Seite hatte man in der Gründung der Carl’schen Loge eine Sprengelrechtsverletzung gesehen und ihr die Anerkennung verweigert, und auf der anderen Seite begann man sich mit der Vereinigten Großloge von England zu streiten, weil man in der Gründung der Morgenröthe eine Vertragsverletzung sah, sie deshalb nicht akzeptieren konnte, und außerdem glaubte, darüber Beschwerde führen zu müssen, dass die Mitglieder Israeliten seien. Selbst hatte man aber bereits mit der Ritualänderung 1811 die Vertragsgrundlage verlassen und nun durch die erlassenen Besuchsverbote gegen die beiden Logen, sowie der gemachten Auflage an alle Tochterlogen, nur Christen als Besucher zuzulassen, den Vertragsbruch verschlimmert.
1823 erreichten die Streitigkeiten ihren Höhepunkt, als die Logen Sokrates und Einigkeit ein polemisches, landesweites Rundschreiben gegen „die Einmischung des Judentums in die Freimaurerei“ verschickten, weil die Morgenröthe, nicht nur durch landesweite Rundschreiben mit großem Engagement den Kampf um Anerkennung ihrer Loge aufgenommen, sondern sich auch für das generelle Besuchsrecht jüdischer Brüder in Logen außerhalb Frankfurts eingesetzt hatte. Dabei war sie nicht erfolglos geblieben, denn sie war von der englischen Großloge ganz bewusst und beispielhaft unterstützt worden8, so dass es zur erneuten Trennung der Frankfurter Großloge von der englischen Mutter-Großloge und zur Selbsternennung der „Großen Mutterloge des Eklektischen Freimaurerbundes von Frankfurt am Main“ als unabhängige Großloge kam.
In den folgenden 25 Jahren entbrannte der eigentlich entscheidende Kampf ums Christliche Prinzip, denn er wurde von den Brüdern unter sich ausgetragen, ohne dass sie sich darin von den Logen- und Großlogenführungen bevormunden ließen, sondern im Gegenteil diese letztlich von ihren Einstellungen überzeugten.
Dem Zeitgeist entsprechend fühlte sich ein Teil der Brüder in den erzkonservativ-christlichen Logen-Führungen (s.o. Rundschreiben) nicht repräsentiert. Annäherungsversuche und unerlaubte Besuche bei der jüdischen, aber auch bei der christlichen Loge begannen, so dass nach Logenführungswechseln bei Einigkeit und Sokrates die Große Mutterloge Anfang 1830 gegen diese Logen Klage führte, wegen der Aufnahme brüderlichen Verkehrs mit den beiden anderen Logen Carl und Morgenröthe. Die Besuche häuften sich und 1833 beschloss die Morgenröthe, eingeführten Brüdern anderer Logen den Zutritt zu erlauben, was prompt zur nochmaligen Spaltung und zur Gründung einer „fundamentalistisch-jüdischen“ Loge „Zum Frankfurter Adler“ führte.
So kam es im christlichen Lager zu Verhandlungen, zuerst über die offizielle Anerkennung, und später gleich über den Beitritt der Loge Carl zum Eklektischen Bund. Die Verhandlungen gestalteten sich jedoch äußerst schwierig (z.B. deckten 1834 die Verhandlungsgegner in der Großloge, Großmeister eingeschlossen), langwierig (der Tod des Landgrafen Carl 1836 wurde abgewartet) und kompliziert durch ausgehandelte Sonderrechte für die Loge Carl (z.B. ein eigenes Ritual mit stärkerer Betonung des Christlichen und die Beibehaltung ihrer Schotten-Hochgrade).
Gleichzeitig hatte sich jedoch eine neue Großlogenführung dem Anliegen des anderen Teils der Frankfurter Brüder angenommen. Ganz gegenteilig war diese unter Großmeister Georg Kloß auf eine viel stärkere Verdeutlichung des Humanitätsprinzips und der Abwendung von Hochgraden aus und hatte, mit den Bundeslogen nicht abgestimmt, Prinzip-Erläuterungen veröffentlicht, dass der Bund für alle monotheistischen Religionen offen sei.9
Das führte zu landesweit verbreiteten Auseinandersetzungen in ausdrücklicher Ablehnung von Toleranz zwischen Großmeister Kloß10 und der Loge Carl11, auf Grund deren diese Loge 1844 aus dem Eklektischen Bund entlassen wurde. Da dies wiederum ohne Einbeziehung der Bundeslogen geschehen war, traten nach starken Protesten verschiedener Logen zwei aus dem Bund aus und gründeten (1846) mit der Loge Carl die Darmstädter “Große Freimaurerloge Zur Eintracht”.
In gänzlich anderem Stil hatte dann die Großloge 1845 einen Entwurf zur Reorganisation des Eklektischen Bundes zur dreijährigen prüfenden Annahme an die Bundeslogen verteilt, der die zukünftige Wirksamkeit des Bundes wieder auf seine Ursprünge zurückbringen sollte, d.h., auf die Grundlage der Alten Pflichten. Dabei sollten die Rituale zurück geändert werden, insbesondere die Frage nach der christlichen Religion des Aufzunehmenden, und man wollte die Bearbeitung höherer Grade nicht mehr zulassen.
Als die Annahme der Reorganisations-Akte 1848 einstimmig erfolgte, stand der Anerkennung der Morgenröthe als gerechte und vollkommene Loge im selben Jahr nichts mehr im Wege.
Aber bereits 1846 hatte die Loge Carl auf einmal beschlossen, jüdische Brüder zu ihren Tempelarbeiten zuzulassen, worauf sich eine „fundamentalistisch-christliche“ Loge „Carl zum Lindenberg“ abspaltete, die beim Eintrachtbund verblieb, während Carl 1850 in den Eklektischen Bund zurückkehrte. Später waren dann sogar alle sechs Frankfurter Logen im Bund vereinigt und der Eintrachtbund hatte die eklektischen Rituale angenommen.
Zusammenfassung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Für die freimaurerische Entwicklung im Vormärz kommen in Frankfurt einmalige Umstände zum Tragen. In der von Obrigkeit recht unbeeinflussten Freimaurerei einer freien Reichsstadt wirkte eine Großloge, die in ihrer durch die englischen ‚Moderns‘ geprägten Ausrichtung für Andersgläubige hätte offen sein müssen. Als aber eine ganze Loge von großteils Juden die Arbeit aufnahm, empfanden dies die Brüder in ihrem religiösen Verständnis als Bedrohung ihrer Freimaurerei und reagierten genau gegensätzlich. Als dann noch eine Loge eines christlichen Systems zu arbeiten begann, mussten sich die Brüder aller drei Richtungen der Frage ihres freimaurerischen Verständnisses stellen.
Das vierzigjährige, die Bruderschaft zerreißende Ringen der Brüder um das Christliche Prinzip in einer sich dramatisch verändernden Gesellschaft brachte einerseits die Rückgewinnung der ursprünglich vorgegebenen freimaurerischen Grundwerte, und anderseits erzwangen die Durchsetzungskämpfe ihrer Überzeugungen bei den Logen – vor allem aber bei der Großloge – ein unübliches Demokratieverständnis. Beides bewirkte eine neue Ausrichtung des Eklektischen Bundes; und bei der Bruderschaft hatte sich eine ganz feste Überzeugung von der Richtigkeit der ‚humanitären‘ Art der Freimaurerei herausgebildet, weil sie so hart durch den an der Basis ausgetragenen Bruderzwist erkämpft war.
Diese Erkenntnisse geben Anlass zu einer zweiten Aussage:
Die deutsche humanitäre Freimaurerei hat durch den Eklektischen Bund ihre prägenden Grundzüge erhalten, weil es die Brüder waren, die zuerst um ihre freimaurerische Einstellung gerungen und diese dann in Logen und Großloge durchgesetzt hatten.
5 Damals übliche Bezeichnung für Juden, vom biblischen ‚Kinder Israels‘.
6 Karl Demeter in „Die Frankfurter Loge Zur Einigkeit 1742-1966, 3. Kapitel: Inneres Leben, Seite 101“.
Weitere Literatur zum gesellschaftspolitischen Kontext, insbesondere zu Judentum und Freimaurerei: Paul Arnsberg: „Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der französischen Revolution, Kapitel II / 6 und V / 2“.
7 Allgemeines Handbuch (Encyklopädie) der Freimaurerei von Lenning (1900). 1. Band unter „DEUTSCHLAND “ ab Seite 192: Nach dem Vertrag mit England konnte diese Grossloge ohne Billigung ihrer Provinzialloge keine Loge in dem angewiesenen Bezirk errichten, wohingegen diese verpflichtet war, keine Neuerungen einzuführen, wodurch die Alten Pflichten abgeändert oder gar umgestossen würden. Beiderseits war der Vertrag verletzt worden. Die englische Grossloge hatte ohne weiteres der Loge L‘ Aurore naissante (Zur aufgehenden Morgenröte), als diese nicht mehr unter dem Grossorient von Frankreich zu arbeiten für rätlich hielt und mit dem neuen Freibrief des Landgrafen Karl nicht fortarbeiten konnte, 1817 eine Stiftungsurkunde gegeben und kümmerte sich um die Einsprüche von F. nicht, so wenig es die Provinzialloge für einen Vertragsbruch gehalten hatte, durch Verordnungen und Verträge der Verbindung einen streng christlichen Charakter aufzudrücken, womit sie den englischen Gesetzen geradezu widersprach. Jahrelange Unterhandlungen führten nicht zu einer Ausgleichung, die Provinzialloge erklärte sich vielmehr 1823 für unabhängig und nahm den Namen „Grosse Loge des Eklektischen Freimaurerbundes“ an.
Daselbst unter Frankfurt a.M., III. Logen, 4) Zur aufgehenden Morgenröte, Seite 305: Wahrscheinlich ist es, dass die englische Grossloge davon unterrichtet worden war, dass die Provinzialloge in Abweichung von den Alten Pflichten den sogenannten christlichen Standpunkt eingenommen hatte und jüdische Brüder nicht einmal als Besuchende zuliess, während man früher (1790) den israelitischen MvSt. der Toleranzloge in Berlin zugelassen, auch zum grössten Teil aus Nichtchristen bestehenden Mitgliedern der neuerrichteten Loge in Mainz (1803) den Zutritt gestattet hatte; denn die Worte des der Loge Zur aufgehenden Morgenröte von England gegebenen Stiftungsbriefs: »Indem wir uns mit unterwürfiger Hingebung vor dem grossen Baumeister des Weltalls beugen, fest auf sein Wort vertrauen und den Vorschriften des göttlichen Gesetzes gehorchen, schliessen wir niemand wegen seiner Religion oder wegen seiner Weise, Gott zu verehren, diese mag auch sein, von welcher Art sie will, von unserm Orden aus», lassen ziemlich sicher darauf schliessen.
Geschichte der Loge Zur aufgehenden Morgenröthe, III. Abschnitt, Kapitel X, Seite 53: Die englische Großloge ihrerseits hielt sich aber zur Einhaltung des § 3 nicht verpflichtet, da nach ihrer Anschauung die Provinzialloge einseitig den Vertrag gebrochen habe, indem sie in Abweichung von den alten Pflichten den sogenannten christlichen Standpunkt im Jahre 1811 in ihrem neuen Rituale festgelegt habe. Wahrscheinlich ist es, dass die englische Grossloge davon unterrichtet worden war, dass die Provinzialloge in Abweichung von den Alten Pflichten den sogenannten christlichen Standpunkt eingenommen hatte und jüdische Brüder nicht einmal als Besuchende zuliess, während man früher (1790) den israelitischen MvSt. der Toleranzloge in Berlin zugelassen, auch zum grössten Teil aus Nichtchristen bestehenden Mitgliedern der neu errichteten Loge in Mainz (1803) den Zutritt gestattet hatte; denn die Worte des der Loge Zur aufgehenden Morgenröte von England gegebenen Stiftungsbriefs: »Indem wir uns mit unterwürfiger Hingebung vor dem grossen Baumeister des Weltalls beugen, fest auf sein Wort vertrauen und den Vorschriften des göttlichen Gesetzes gehorchen, schliessen wir niemand wegen seiner Religion oder wegen seiner Weise, Gott zu verehren, diese mag auch sein, von welcher Art sie will, von unserm Orden aus«, lassen ziemlich sicher darauf schliessen.
8 Internationales Freim. Lexikon von Lennhoff, Posner, Binder unter ‚Juden‘, Seite 443: Der Londoner Repräsentant der Loge, Kaufmann Anton Wolf, sprach in einer Audienz dem Herzog den Dank seiner Frankfurter Brr. aus und berichtete als des Herzogs wörtliche Äußerung: »Ich will nicht allein in Frankfurt, sondern in ganz Deutschland Epoche mit dieser Konstitution machen, denn ich bemerke, daß man dort mit der Aufklärung zurückgeht, statt Fortschritte zu machen. Ich frage nicht danach, ob diese Konstitution den anderen Logen sehr behagt … Was die Großloge von England, als die erste aller Mutterlogen, anerkennt, dessen brauchen sich andere Logen wahrhaft nicht zu schämen!«
9 Allgemeines Handbuch (Encyklopädie) der Freimaurerei von Lenning (1900),1.Band: Frankfurt a.M., II. Eklektischer Bund, Seite 302: Nach dieser »Erläuterung« ist »der wesentliche Zweck des Eklektischen Bundes in vollkommener Übereinstimmung mit demjenigen, der in den Alten Pflichten (v.J. 1723) angegeben wurde«. »Der Maurer muss ein Bekenner und Verehrer des alleinigen Gottes sein, weil dieses Religionsbekenntnis das einzige ist, in dem alle Menschen übereinstimmen können. Allein der Maurer soll deswegen in dem Glaubensbekenntnis nicht beschränkt werden, dem er im kirchlichen Leben angehört und zugethan ist. Jedem soll vielmehr seine besondere Meinung und Glaubensansicht überlassen bleiben, damit sein Gewissen durch die Teilnahme am Bunde nicht bedrängt werde. Darum hat der Eklektische Bund auch kein religiöses Dogma, kein objektives Religionssystem zu seinem Zweck erkoren und gestattet nicht die Handhabung eines solchen systematischen Strebens in den ihm verbundenen Logen.«
10 Internationales Freim. Lexikon von Lennhoff, Posner, Binder unter ‚Juden‘, Seite 443: Die G.-L. von Hannover stellte sich auf den Boden der unbedingten Toleranz und hatte deswegen nach 1866 bei der Übernahme in die altpreußischen Großlogen Schwierigkeiten. Noch vor 1848 wurden J. auch in der Großloge von Sachsen zugelassen, ebenso in der Großloge von Bayreuth. Zu schweren Auseinandersetzungen kam es in Frankfurt. 1844 siegte hier das Humanitätsprinzip in seiner reinen Form. In »ausführlichen Erläuterungen« an die Logen wurde vorgeschrieben: „Der Maurer muß Bekenner und Verehrer des alleinigen Gottes sein, weil dieses Religionsbekenntnis das einzige ist, in dem alle Menschen übereinstimmen können. Jedem Maurer soll seine besondere Meinung und Glaubensansicht überlassen bleiben.“ Zu dieser Sinnesänderung trug in hervorragender Weise der »Praeceptor Latomorum Germaniae«, Kloß (s. d.) bei, seit 1836 Großmeister des Eklektischen Bundes. Seine Schrift »Über die Unstatthaftigkeit des Versuchs, ein positives Christentum in die Freimaurerei hineinzuziehen«, die scharf die Grenze zwischen dem christlichen und dem Humanitätsstandpunkt zog, erregte nachhaltiges Aufsehen. Mehrere der Aufnahme von J. abholde Logen traten aus und gründeten die Großloge »Zur Eintracht« in Darmstadt (1846), die sich dann bis 1870 zum christlichen Prinzip bekannte. 1854 gestattete die Großloge »Royal York«, genannt »Zur Freundschaft«, den Besuch jüdischer Brr., 1872 auch deren Aufnahme in die Johannisgrade. Auch die Darmstädter Großloge ließ seit 1873 J. zu. Ein 1899 in der Großloge »Royal York« gestellter Antrag auf Wiedereinführung des christlichen Prinzips wurde mit 67 gegen zwei Stimmen abgelehnt. Kaiser Friedrich III., auf den das vielzitierte Wort zurückgeht, »der Judenhaß ist die Schmach des Jahrhunderts«, hatte bereits als Prinz Gelegenheit, in den Konflikt einzugreifen. Als er sich 1857 mit der englischen Prinzessin Victoria verlobte, wurde in den englischen Freimaurerlogen bekannt, daß jüdische Brr. mit Ausweispapieren der englischen Großloge nicht einmal als Besucher zu den meisten preußischen Freimaurerlogen zugelassen würden. Die englische Großloge erhob Widerspruch, drohte mit Abbruch der brüderlichen Beziehungen – vergebens. Als nun Prinz Friedrich Wilhelm bei seinem Brautbesuch in London auch einer Sitzung der Großen Loge von England beiwohnen wollte, empfing ihn der Großmeister im Logenhaus mit allen einem Fürsten gebührenden Ehren, bedeutete ihm aber, daß die Teilnahme an den Sitzungen englischer Logen den preußischen Brr. so lange untersagt bleibe, bis diese die englischen Brr. israelitischen Glaubens als gleichberechtigt aufnehmen würden! Der Prinz versprach, er werde nach der Rückkehr in die Heimat für die Aufhebung jenes veralteten Großlogenbeschlusses wirken.
11 Allgemeines Handbuch (Encyklopädie) der Freimaurerei von Lenning (1900),1.Band: Frankfurt a.M., II. Eklektischer Bund, Seite 302: … wäre es doch vielleicht besser gewesen, wenn man die Annahme der Loge Carl mit ihrem altschottischen Direktorium weniger beeilt hätte, da viele Mitglieder mit Zähigkeit an den Ansichten festhielten, die sie bei Bearbeitung höherer Grade mit streng christlichen Anschauungen eingesogen hatten, während die Grossloge nun einer freiern, den Alten Pflichten angemessnern Ansicht huldigte, den Besuch von Nichtchristen zuliess und durch ihren Grossmeister die Unstatthaftigkeit des Versuchs darthat, ein positives Christentum in die Logen hineinzuziehen. Aus diesen Gegensätzen entwickelte sich bald ein lebhafter Kampf, der einen ansehnlichen Band von Streitschriften veranlasste und an dem sich auch andre Bundeslogen beteiligten. Er führte schliesslich zu der Entlassung der kaum beigetretnen Loge Carl aus dem Eklektischen Bund (2. Juli 1844), ‑ ein einseitiger Beschluss, dessen Gesetzmässigkeit von einzelnen Logen angefochten wurde und der jedenfalls nicht reiflich genug erwogen war. Die Logen in Darmstadt und Mainz reichten nach eingelegter Verwahrung gegen diesen Schritt ihre Entlassung ein. Die Hauptursache bei diesen war indessen in ihrer Auffassung der Maurerei als einer christlichen Anstalt zu suchen, während die Grossloge eifrig bemüht war, den Eklektischen Bund auf die Grundsätze zurückzuführen, welche die alten englischen Konstitutionenbücher von jeher als Bundesprinzip ausgesprochen haben.
12 Internationales Freimaurer Lexikon, Lennhoff, Posner u. Binder von 2003, „Deutschland“, 5. Der 1.Weltkrieg und seine Folgen.